Wenn man nicht gerade Leopold-Alexander ist, kann Studieren ganz schön teuer sein. Früher oder später denkt je-der mal darüber nach, wie man einfach etwas Geld dazu verdienen kann. Eine Möglichkeit dabei ist das KD2 Lab des KITs. Für die Teilnahme an Studien gibt es hier eine finanzielle Entlohnung. Um teilzunehmen ist es lediglich nötig, sich online zu registrieren. Alle registrierten Teilnehmer wer-den in einem gemeinsamen Pool gespeichert. Wird eine Studie in Auftrag gegeben, so wird zufällig an Teilneh-mende mit entsprechenden Eigenschaften (bspw. in einer bestimmten Altersspanne) eine Einladungsemail ver-schickt. Dabei kann es sein, dass Studien bequem online ausgefüllt werden, oder aber im KD2 Lab in der Fritz-Erler Straße durchgeführt werden. Die Bezahlung erfolgt ent-weder pauschal für alle Teilnehmenden gleich, oder aber abhängig von den jeweiligen Antworten in der Studie. So einfach wie das für uns Teilnehmende ist, so steckt doch mehr dahinter. Die Wi2-Chefredaktion hatte die Chance mit Prof. Dr. Weinhardt, Gründer des KD2 Lab, zu sprechen.

Guten Tag Herr Prof. Dr. Weinhardt, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns einige Fragen zu beantworten!

Das KD2Lab gibt es nun schon seit 2015. Wie kamen Sie auf die Idee, das KD2Lab zu gründen?

Long story short: Zu Beginn der 2000er hat sich Neuroeconomics, also die Forschung zu den Grundlagen des ökonomischen Verhaltens mithilfe neurowissenschaftlicher Methoden etabliert. Insbesondere die Nutzung der funktionalen Magnetresonanztomographie (fMRT) in der ökonomischen Verhaltensforschung war der Hit – irgendwie sehr faszinierend, aber gleichzeitig irre aufwändig. Man braucht zum einen das teure Gerät und zum anderen medizinisches Personal, um es zu bedienen. Das gab und gibt es am KIT nicht. Darüber hinaus kann man mit dem fMRT immer nur eine Person beobachten. Bei vielen ökonomischen Entscheidungen spielt jedoch direkte oder indirekte (soziale) Interaktion eine wesentliche Rolle – denken Sie etwa an Auktionen oder Aktienmärkte, die im Mittelpunkt meiner Forschung standen.

Im Gespräch mit einem befreundeten Professor aus der Neurologie kam die Idee, auf weniger komplexe Sensorik zurückzugreifen. Beispielsweise lässt sich der Hautleitwert, der auch Basis für den klassischen Lügendetektor ist, mit kleinen auf der Hand aufgeklebten Elektroden messen.  In dieser Herangehensweise sah ich großes Potential, die Verhaltensökonomie weiter zu bereichern.

Also haben wir das ausprobiert – sehr explorativ mit zwei, drei Diplomarbeiten: da wurde alles selbst „gebastelt“ von den Sensoren über die Software bis zum ersten einfachen Labor mit ein paar PCs und Trennwänden in einem Büro. Enge Zusammenarbeit mit Psycholog:innen und Neurolog:innen war notwendige Voraussetzung, um aus der neuen Perspektive heraus und mit den neuen technischen Möglichkeiten die richtigen ökonomischen Fragestellungen zu entwickeln – ein typischer Fall für Wirtschaftsingenieur:innen und ‑informatiker:innen. Meine damaligen Assistent:innen haben mich fast ausgelacht, dass wir solche crazy Sachen machen. Aber siehe da – es hat funktioniert. Das wollten wir dann professionalisieren und skalieren, heißt wir wollten gerne größere (auch traditionelle) Experimente in einem geeigneten Labor mit klimatisierten und schallgeschützten Kabinen durchführen können – nur so kann sichergestellt werden, dass wir sauber messen können.

Also haben wir Mitstreiter:innen am KIT gesucht, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einen Antrag auf Förderung eines sogenannten Großgeräts gestellt und nach gründlicher Begutachtung auch genehmigt bekommen. Das KIT hat die Räumlichkeiten mitten in der Stadt dafür freigemacht – das war großartig, vielen Dank dafür! Das Labor ist mittlerweile eine wesentliche Basis-Infrastruktur für ganz viele Forschungsaktivitäten am KIT. Aktuellste Beispiele sind das im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderte Projekt „Digital Citizen Science – Wellbeing@home“ (https://digitalcitizenscience.kd2lab.kit.edu/) und das DFG-Graduiertenkolleg „KD²School“ (https://kd2school.info/)

Gibt es ähnliche Institutionen, welche als Inspiration für das KD2Lab dienten?

Ja – aber alle etwas kleiner und weniger professionell. Vor allem hatte damals niemand neurophysiologische Geräte und Know-How dazu in den Labors – zumindest als wir gestartet sind. Wir haben uns u.a. das Caltech’s Social Science Experimental Laboratory (SSEL) in Los Angeles angeschaut, eine der Hochburgen der klassischen Experimentellen Wirtschaftsforschung, wo Nobelpreisträger Vernon Smith gewirkt hat. Außerdem sind die Kolleg:innen an der HEC in Montreal sehr bekannt für ihre Laborforschung, deren Labor kannten wir schon von einigen Besuchen.  Auf nationaler Ebene haben Herr Kollege Ockenfels in Köln, die Bonner Kolleg:innen (u.a. Kollege Moldovanu) sowie Kollege Greiner an den WU Wien sehr gute Forschungsinfrastrukturen dafür, die wir uns genauer angeschaut haben. BTW – mittweile sind drei PostDocs aus unserer Gruppe an der WU Wien zu Professor:innen berufen worden und werden u.a. diese Art der Forschung dort sicher weiter vorantreiben – auch eine Art des Wissenstransfers, eben über Köpfe.

Was waren dabei die größten Herausforderungen?

Vier Hauptherausforderungen gab es in meinen Augen:
(i) eine erste Idee ist nur die Keimzelle für ein solches Vorhaben. Wie so oft im Leben muss man Mitstreiter:innen gewinnen und eine gemeinsame Vision entwickeln. Diese Vision war das KD²Lab wie es heute steht, Mitstreiter:innen sind inzwischen 14 Kolleg:innen aus vier Fakultäten des KIT.

(ii) Wer bezahlt eine solche Infrastruktur?  Die DFG fördert sogenannte „DFG-Großgeräte“ – aber ist ein Labor dieser Art mit 40 Einzelrechnern und Einzelkabinen EIN Großgerät? Da war viel Überzeugungsarbeit zu leisten, sowohl gegenüber der DFG als auch gegenüber dem KIT, das einen Anteil der Kosten tragen und die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen musste. Das war eine wichtige Unterstützung, die uns zum Ziel gebracht hat – wie gesagt, dafür sind wir heute noch sehr dankbar!

(iii) Schließlich wurde das Labor baulich geplant und eingerichtet. Jella Pfeiffer und Verena Dorner (beide heute Professorinnen – in Gießen und Wien) hatten nicht nur viel Arbeit damit, sondern auch ein sehr gutes Händchen, die vielen Beteiligten unter einen Hut zu bekommen. Und dies gilt auch das Management des Labors, das mittlerweile Anke Greif-Winzrieth und Paul M. Gorny übernommen haben. Unterstützt werden sie dabei tatkräftig von zahlreichen Kolleg:innen, die sich in Teams wie dem Infrastruktur-Team um Michael Knierim um ständige Verfügbarkeit des Labors und kontinuierliche Verbesserung der Prozesse kümmern.

(iv) Voraussetzung für exzellente Forschung im Labor sind die Teilnehmer:innen bei den Experimenten. Der Aufbau eines Probanden:innen-Panels von Studierenden verlief überraschend gut, ziemlich rasch konnten wir viele Studierende begeistern mitzumachen. Das war ein gutes Stück Aufwand zu Beginn und die Pflege des Panels ist eine DER Dauerherausforderungen, die wir gemeinsam meistern. Das Panel umfasst mittlerweile knapp 4500 Proband:innen.

Schließlich hat die Pandemie auch im Labor ihre Spuren hinterlassen – das ist eine aktuelle Herausforderung, die wir gerade dabei sind zu überwinden – aber es geht bald wieder richtig los – versprochen!

Wie viele Studien werden pro Jahr im KD2Lab durchgeführt?

Das hängt stark von der Größe und Komplexität der Studien ab. Bei manchen Studien ist die Erhebung sehr zeit- und ressourcenintensiv – beispielsweise, wenn Biosensoren oder VR-Technologie zum Einsatz kommen. Solche Studien finden im Labor und manchmal nur mit einem Probanden oder einer Probandin pro Stunde statt. Bei anderen Studien, die komplett online oder mit 40 Proband:innen gleichzeitig im Lab stattfinden, geht das sehr viel schneller. In den 12 Monaten von Oktober 2020 bis September 2021 haben wir knapp 40 Studien durchgeführt – aufgrund der Corona-Pandemie natürlich fast ausschließlich online.

Die auszuzahlenden Summen für die Teilnehmenden dürften summiert hoch sein. Wie finanziert sich das KD2Lab?

Am KD²Lab sind 14 Professor:innen mit Ihren Lehrstühlen beteiligt. Diese finanzieren über regelmäßige Beiträge den Grundbetrieb des Labors – also beispielsweise die von allen genutzte Hard- und Softwareinfrastruktur sowie Rekrutierungsmaßnahmen und stemmen gemeinsam verschiedene Managementaufgaben. Die Auszahlungen selbst werden immer direkt von den durchführenden Lehrstühlen getragen und können aus Forschungsprojekten oder sonstigen Finanzmitteln der Lehrstühle stammen. In den meisten Forschungsprojekten werden bereits in der Antragsphase Labor-Experimente sowohl inhaltlich als auch kostenmäßig mit eingeplant und die entsprechenden Mittel dafür beantragt. Jüngst ist uns das für die zuvor bereits kurz erwähnte KD2School gelungen, ein von der DFG gefördertes interdisziplinäres Graduiertenkolleg (Doktorand:innen-Programm) zum Thema „Gestaltung von adaptiven Systemen für ökonomische Entscheidungen“ . Die KD²School startet im Oktober 2021 und wird zunächst für 5 und bei Erfolg bis zu 10 Jahre lang gefördert – übrigens vielleicht auch eine spannende Option für all diejenigen, die nach dem Masterstudium tiefer in diesem spannenden, zukunftsweisenden Thema an der Schnittstelle von BWL, Informatik, Psychologie, VWL und Wirtschaftsinformatik forschen möchten.

Finanzielle Anreize haben bekanntlich Auswirkungen auf das Verhalten von Menschen. Wie stellen Sie sicher, dass keine Studienergebnisse durch die Bezahlung verfälscht werden?

Die finanziellen Anreize spielen in unseren Experimenten in der Tat eine entscheidende Rolle und man muss sich beim Experimentaldesign ganz genau überlegen, wie man diese richtig gestaltet – das ist die eigentliche „Kunst“. Bei der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse muss man beachten, dass die Teilnehmer:innen mit der Vergütung eine extrinsische Motivation bekommen, die es im untersuchten Szenario in der Realität in der Regel nicht gibt – das ist natürlich eine Limitation. Man darf die Ergebnisse also nicht zu sehr verallgemeinern, die sogenannte externe Validität ist bei Laborexperimenten eher niedrig, sie erhält man erst so richtig in der Feldforschung. Hoch ist bei den Laborexperimenten dafür die interne Validität – im Labor können wir die Bedingungen für alle Experimentalgruppen gleich halten und einzelne Faktoren gezielt variieren, um so auch kausale Effekte sauber zu untersuchen. 

Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten von finanziellen Anreizen in Experimenten – die fixe Vergütung und die entscheidungs- oder verhaltensabhängige Vergütung. Eine fixe Vergütung ist eine Art Aufwandsentschädigung, die für alle Teilnehmer:innen gleich und von Anfang an bekannt ist. Das eignet sich beispielsweise für Studien, in denen Systeme getestet und evaluiert werden sollen. Wenn alle die gleiche Auszahlung erhalten, kann man davon ausgehen, dass diese nicht der Grund für Unterschiede zwischen den Experimentalgruppen ist. Bei einer variablen Vergütung ist die individuelle Auszahlung abhängig von den Entscheidungen im Experiment. Da jede Handlung oder Entscheidung dann einen direkten Einfluss auf die eigene Auszahlung oder auch die Auszahlung anderer Teilnehmer:innen oder gar Dritter hat, wird sichergestellt, dass alle ihren wahren Präferenzen folgen. Die Vergütung wird also gezielt eingesetzt, um valide und unverfälschte Ergebnisse zu erhalten. Verhaltensbasierte Auszahlungen werden beispielsweise in Auktionsexperimenten und Investitionsspielen eingesetzt.

Wurden bedeutende Ergebnisse/Publikationen mit Hilfe des KD2-Labs erzielt? Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Die Publikation von exzellenten Ergebnissen aus den Studien im KD²Lab ist eines der obersten Ziele des Labors. Regelmäßig wird in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen und auf Konferenzen publiziert und präsentiert.  Vor der Publikation durchlaufen die Forschungsarbeiten in der Regel ein aufwändiges Peer-Review-Verfahren, also eine Begutachtung durch unabhängige Wissenschaftler:innen,  die aus vielen Einreichungen die besten auswählen – so ist jede Veröffentlichung ein wichtiger Erfolg für die beteiligten Forscher:innen und für das KD²Lab als Institution.

Eine einzelne Studie hervorzuheben ist da schwierig. Ein Beispiel aus der Verhaltensökonomie ist der vor einigen Monaten zur Publikation in der sehr renommierten Zeitschrift ‘ Management Science‘ akzeptierte Artikel „The (In)Elasticity of Moral Ignorance“ u.a. von Prof. Nora Szech (KIT) (1). Ebenfalls kurz vor der Veröffentlichung steht der Artikel „Designing Attentive Information Dashboards” u.a. von Dr. Peyman Toreini, Moritz Langner und Prof. Alexander Mädche (alle KIT) (2) im Journal of the Association of Information Systems (JAIS), einem in der Wirtschaftsinformatik sehr anerkannten Journal. Genauso hochklassig angesiedelt ist der 2019 u.a. von Dr. Christian Peukert, Prof. Jella Pfeiffer und Prof. Christof Weinhardt (alle KIT) im ‘ Journal of Management Information Systems‘ veröffentlichte Beitrag „Shopping in Virtual Reality Stores: The Influence of Immersion on System Adoption“ (3). Eine Liste aller Publikationen ist auf der Webseite des KD²Labs zu finden.

(1) https://polit.econ.kit.edu/Research_ignorance.php
(2) https://www.researchgate.net/publication/351943305_Designing_Attentive_Information_Dashboards
(3) https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000097109

Datensicherheit ist heute eines der wichtigsten Themen. Wie stellen Sie sicher, dass personenbezogene Daten sicher/ anonym bleiben?

Das Thema Datenschutz hat bei uns höchste Priorität. Eines unserer wichtigsten Prinzipien ist die strikte Trennung der Experimentaldaten von den personenbezogenen Daten, die im Rekrutierungssystem hinterlegt sind. Die Daten im Rekrutierungssystem werden ausschließlich zur Auswahl und Einladung der Teilnehmer:innen verwendet und nicht mit den Experimentaldaten verknüpft. Die meisten Experimente werden dann anonym durchgeführt, d.h. es werden keine Daten erhoben, die Rückschlüsse auf die Identität der Teilnehmer:innen zulassen. Falls in Experimenten sensible oder personenbezogene Daten erhoben, gespeichert und verarbeitet werden, werden die Teilnehmer:innen darüber ausführlich informiert und stimmen vor der Teilnahme zu. Wir arbeiten stets eng mit den Datenschutz- und IT-Sicherheitsbeauftragten des KIT zusammen und lassen die Studien diesbezüglich prüfen.

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